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Die Muslime in Deutschland haben Sorge, dass sie für die Terroranschläge der Islamisten mitverantwortlich gemacht und als Gefahr für die westliche Welt gesehen werden. Sie befürchten eine generelle Islamfeindlichkeit. Wie wollen Sie diesen Ängsten entgegentreten?
- Es ist kaum zu ertragen, dass einige den Terror benutzen, um unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger auszugrenzen und gegen Flüchtlinge zu hetzen. Deshalb freut es mich, dass in ganz Deutschland viel mehr Menschen gegen Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen als dafür. Weder die Terroristen noch die Rechtsradikalen haben doch Erfolg. So sehr, wie die Mörder und die radikalen Ideologen aller Seiten unsere Gesellschaft spalten wollten, so sehr haben sie dazu beigetragen, dass wir zusammen stehen. In vielen Städten in Deutschland und Europa haben sich Millionen Menschen versammelt, um für Freiheit, Meinungsfreiheit und gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Das zeigt: wir haben eine starke demokratische Zivilgesellschaft.
Nach den Anschlägen in Paris ist mehr Dialog zwischen den Religionen erforderlich als je zuvor. Wie könnte die Politik solch einen Dialog fördern?
- Wir haben vor dem Brandenburger Tor ein beeindruckendes Zeichen gesetzt. Bei der Mahnwache der muslimischen Verbände haben Religionsgemeinschaften und Politik in Deutschland deutlich gemacht, dass sie für die Verteidigung der Freiheit im wahrsten Sinne des Wortes untergehakt zusammen stehen.
An der Mahnwache in Berlin, die ein Zeichen der Toleranz und Religionsfreiheit setzen wollte, haben, wie befürchtet, nur wenige tausend Menschen teilgenommen. Sind Sie darüber nicht enttäuscht?
- Nein. Das war ein wichtiges Zeichen des Zusammenstehens in schweren Zeiten. Bundespräsident Gauck hat es am Brandenburger Tor auf den Punkt gebracht: Wir alle sind Deutschland. Ich finde, besser kann man das kaum ausdrücken. Die Terroristen versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten. Damit dürfen sie keinen Erfolg haben. Für ein erfolgreiches Zusammenleben brauchen wir aber mehr als das Bekenntnis, dass die Muslime und der Islam zu Deutschland gehören. Dass heutzutage auch die CDU-Vorsitzende bereit ist, die Realität anzuerkennen, dass die seit Jahrzehnten eingewanderten Menschen auch ihre Religion mit gebracht haben, ist ein Fortschritt für die deutschen Konservativen. Doch besteht natürlich die Gefahr, dass der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ zu einer hohlen Phrase verkommt, wenn wir nicht auch die Voraussetzungen dafür schaffen, die ein Einwanderungsland braucht: zum Beispiel ein Einwanderungsgesetz, in dem klar beschrieben ist, wer kommen und bleiben kann und wer nicht. Eine Bildungsoffensive für alle, die bereits hier sind. Und vieles anderes mehr.
Wie bedrohlich ist Pegida für das Zusammenwachsen der Migranten mit Deutschland und auch für ein friedliches Zusammenleben zwischen Migranten und Deutschen?
- Die Attentäter von Paris heben unsere Demokratie nicht aus den Fugen. Wir geben auch unter der Bedrohung durch Terror unsere Werte nicht preis. Das gilt auch, wenn wir jetzt darüber nachdenken, ob wir noch mehr tun können, um uns gegen einen gut ausgerüsteten Terrorismus zu schützen. Ich finde, wir sollten das mit Nachdenklichkeit und ohne die alten Reflexe tun, wo der eine schon immer weiß was richtig ist und der nächste schon immer wusste, dass genau das falsch sei. Diese neue Nachdenklichkeit muss reichen von den Bedingungen