Sirkeci, Milch und das Kanzleramt

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Sirkeci, Milch und das Kanzleramt
Oluşturulma Tarihi: Ekim 29, 2011 00:00

Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich am Bosporus. Das kommende Wochenende steht ganz im Zeichen der Feiern zum 50jährigen Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei.

Haberin Devamı

Yasar Bilgin, der engagierte Vorsitzende der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung lädt ein in den Bahnhof Sirkeci. An jenem historischen Ort fuhr 1961 der erste Zug mit Gastarbeitern Richtung Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs. Die Zeitzeugen Baha Güngör von der Deutschen Welle und der Stahlarbeiter Faik Cicek aus Duisburg werden aus der Anfangszeit der türkischen Einwanderung berichten. Ich freue mich, diesen Bahnhof, der für viele zum Tor nach Europa wurde, kennenzulernen.

Einer meiner liebsten Orte in Istanbul ist Kiz Kulesi. Auch dort darf ich dieses Mal sein. Bei einem Gala-Dinner der Deutsch-Türkischen Gesellschaft wird der Unternehmer Bülent Eczacibasi, Vorstandsvorsitzende einer der größten türkischen Unternehmensgruppe, mit der Tarabya-Medaille ausgezeichnet. Mit dabei sind auch Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder und der frühere Daimler-Benz Chef Edzard Reuter, der als Kind mit seinen Eltern vor den Nazis in die Türkei ins Exil flüchtete. Auswanderung einmal umgekehrt.

Wohnen werde ich im Stadtteil meines Lieblingsvereins in der türkischen Süperlig, Besiktas. Auch wenn es trotz zweimaliger Führung gegen Fenerbahce vorgestern nur zu einem 2:2 gereicht hat, so ändert das nichts an wahrer Fantreue. Auch Bayern München kann ja nicht immer gewinnen.

Manchmal wird so etwas Schönes wie die Liebe zwischen zwei Menschen in kalte, nüchterne Statistiken gepresst. Das Statistische Bundesamt hat in dieser Woche Zahlen über binationale Ehen veröffentlicht. 1,2 Millionen Menschen haben einen ausländischen Ehepartner geheiratet, doppelt so viel wie vor 15 Jahren. Damals waren die beliebtesten Ehemänner Italiener. Und heute? Für die meisten deutschen Frauen liegt der Türke an der Spitze. Herzlichen Glückwunsch, liebe türkische Männer: 17 Prozent aller Frauen entschieden sich für türkische Männer vor Italienern mit 12 Prozent. Aber auch die türkischen Frauen sind spitze! 11 Prozent der deutschen Männer entschieden sich für Türkinnen, knapp vor Polinnen mit 10 Prozent und Russinnen mit 8 Prozent. Jeder Einzelfall ist sehr persönlich, die Summe aber ist ein gutes Beispiel für Integration.

Ein besonders absurdes Beispiel aus der Anwerbezeit habe ich vor einigen Tagen gehört. Eine Frau bewarb sich im Juni 1962 für eine Tätigkeit am Fließband in Göppingen. Bei der Prüfung der Auswahlkommission war sie aber für die strengen deutschen Vorschriften 1 Kilo zu leicht. Sie wurde nach Hause geschickt und sollte wiederkommen. Daraufhin trank sie 3 Liter-Milch und hatte am nächsten Tag die deutsche Gewichtsgrenze erreicht. Von ihren sechs Kindern folgten ihr vier nach Deutschland. Alle haben studiert. Und eine arbeitet heute als Beamtin im Bundeskanzleramt. Und das alles wegen drei Litern Milch.

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