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Ich selbst habe es mehrfach erlebt, als Bundestagsabgeordneter, der seinen Wahlkreis einmal gewonnen und einmal verloren hat, als Europaabgeordneter und als Minister.
Die Stimmung am Wahltag ist immer ganz eigenartig. Eine eigentümliche Ruhe vor dem Sturm. Man hat über Wochen, ja Monate Wahlkampf gemacht, Plakate geklebt und tausende Menschen persönlich getroffen. Jedes Gespräch geprägt von dem Willen, die eigenen Ideen zu erklären und zu überzeugen. Der Wahlkampf wird am Ende immer hektischer, jede Begegnung zählt und jeder Zeitungsartikel und jede Nachrichtensendung im Fernsehen verfolgt man mit Freude oder mit Sorge, je nachdem wie die Tendenz der Beiträge war. Teilweise geht der Wahlkampf bis tief in die Nacht. Ich selbst habe noch morgens früh um 4 Uhr am Wahltag Brötchen vor die Türen ausgewählter Häuser gelegt, um die Menschen an die Wahl zu erinnern und sie zu bitten, wählen zu gehen.
Und dann beginnt die absolute Ruhe. Der Wahltag. Das höchste Fest der Demokratie. Millionen Menschen überall im Lande gehen wählen und man kann nichts mehr beeinflussen. Diese Ruhe gibt es nur einmal alle vier Jahre. Der Uhrzeiger bewegt sich nur ganz langsam und man kann es kaum erwarten, bis die Wahllokale schließen und die ersten Ergebnisse eintrudeln. Und dann beginnt am Abend die Hektik, die Analyse und die Vorbereitung auf einen neuen Zeitabschnitt, der alles verändern kann. Aber die Stimmung dieses einen Tages, die läßt sich mit nichts vergleichen. Denken Sie doch einmal am Sonntag an die Politiker, ganz gleich, für wen sie fiebern und wen Sie sich als Regierungschef wünschen.
Wenn Sie in Deutschland oder Österreich leben, haben Sie nicht nur Sonntag, sondern auch Montag arbeitsfrei. Die Christen feiern Pfingsten, jedesmal, wie der griechische Name „pentekoste“ sagt, am 50. Tag nach Ostern. Das schöne an der Pfingsterzählung ist, das die Jünger Jesu redeten und die Zuhörern aus den verschiedensten Ländern sie in ihrer Sprache verstanden. Der Legende nach soll Gott die Menschen, als sie in Babylon einen Turm in den Himmel bauen wollten, bestraft haben, so dass sie einander nicht mehr verstanden. Babylonische Sprachverwirrung sagt man manchmal. Wenn ich wenige Wünsche frei hätte, so würde ich gerne so sprechen, dass mich Menschen in allen Sprachen verstehen könnten. Wäre die Welt und das Zusammenleben der Völker und Kulturen friedlicher, wenn jeder jeden verstehen würde? Da dies nur ein Wunschtraum ist, beneide ich jeden, der deutsch und türkisch spricht. Freuen Sie sich an Pfingsten, wenn sie mehrere Sprachen sprechen und verstehen.
In Berlin traf ich in dieser Woche einen Taxifahrer aus Ayvalik an der ägäischen Küste, wenige Kilometer von griechischen Dörfern entfernt. Er erzählte mir stolz in fließendem deutsch, dass er türkisch und griechisch spricht. Ein wahrhafter pfingstlicher Taxifahrer.