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Eigentlich könnte diese Zahl eine erfreuliche Nachricht zum Tag der Lebensspende am kommenden Montag (28.5.) sein: 6000 Deutsche haben im vergangenen Jahr Knochenmark gespendet und damit einem Blutkrebs-Patienten neue Hoffnung geschenkt. Und die Hilfe hat nicht an der Grenze haltgemacht, denn zwei Drittel der geretteten Patienten lebten im Ausland.
Aber diese Rolle als Exportweltmeister ist vor allem Symptom eines Problems: Außer Deutschland hat kaum ein Land ein wirkungsvolles System, um genügend passende Spender für Blutkrebspatienten zu finden. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) in Tübingen will das Problem deshalb nun selbst in die Hand nehmen und massiv im Ausland expandieren. Aber kaum ein Land empfängt die deutsche Organisation mit offenen Armen. Das Ungleichgewicht ist massiv.
Nach Angaben des internationalen Netzwerks Bone Marrow Donors Worldwide gibt es 4,5 Millionen registrierte Knochenmarkspender in Deutschland, aber nur 199 000 in Frankreich, 96 000 in Spanien und rund 30 000 in der Türkei. Wenn Ärzte in diesen Ländern einen Spender für ihre Patienten brauchen, greifen sie immer häufiger auf einen Deutschen zurück. Aber das hat seine Grenzen. «Wir können nicht aus Deutschland die ganze Welt mit Knochenmark versorgen», betont Peter Harf, Mitbegründer der DKMS und Vorsitzender der DKMS Stiftung Leben.
Dabei geht es gar nicht darum, dass die Deutschen nicht im Ausland helfen wollen, sagt Carlheinz Müller, Geschäftsführer des Zentralen Knochenmarkspenderregisters in Ulm. «Den Spendern ist es erstmal egal, ob der Empfänger in Amerika lebt oder in ihrer Nachbarstadt.» Das Problem ist ein medizinisches. Schon die Gewebemerkmale von Norddeutschen und Süddeutschen unterscheiden sich.
«Die Wahrscheinlichkeit, für einen Spanier in Deutschland einen passenden Spender zu finden, ist viel geringer, als wenn man in Spanien suchen würde», sagt Müller. «Und ein Deutscher mit türkischen Wurzeln wäre darauf angewiesen, dass es in der Türkei viele potenzielle Spender gäbe.» Das derzeitige System, bei dem sich Ärzte in ganz Europa vor allem auf Spender aus Deutschland verlassen, helfe jedenfalls nur sehr wenigen Menschen - nämlich denen, die genetische Verbindungen nach Deutschland haben, kritisiert Harf.
Die DKMS will deshalb jetzt nicht mehr darauf warten, dass andere Länder ihr System selbst optimieren. «Wir zünden jetzt die nächste Stufe der DKMS. Unser Ziel ist es, in möglichst vielen Ländern tätig zu werden», sagt Harf. «Uns geht es darum, möglichst vielen Blutkrebs-Patienten auf der Welt das Leben zu retten - unabhängig davon, ob es Deutsche, Spanier oder Engländer sind.» Am 1. Januar 2013 werde eine Auslandsgesellschaft in Großbritannien starten. Danach seien Italien und Frankreich im Fokus, anschließend kleinere Länder wie die Schweiz, Österreich, Belgien oder die Niederlande.
Der 66 Jahre alte Manager, der seit Jahrzehnten das Milliardenvermögen der Mannheimer Familie Reimann verwaltet und ein großes Firmengeflecht aufgebaut hat, will dabei seine internationale Erfahrung einbringen. Doch schon jetzt sind zahlreiche Konflikte absehbar. Anfang des Jahres war die DKMS mit einem Expansionsversuch in Spanien auf heftigen Widerstand gestoßen.
Die Regierung verabschiedete sogar eine Gesetzesänderung, die die deutsche Organisation massiv einschränkt - zum Unverständnis der spanischen Patienten-Vereinigungen. Zudem gab es Kritik an den Kosten, denn ein Empfänger muss für die Spende zwischen 11 000 und 15 000 Euro zahlen. Auch in Frankreich wehrt sich die dortige Knochenmarkspender-Datei seit Jahren gegen ein Engagement der DKMS. Doch solche Probleme soll es in Großbritannien nicht geben, sagt Harf.
In Spanien habe die DKMS Fehler gemacht und daraus gelernt. «Wir haben die Abwehrhaltung unterschätzt», sagt er. «Vermutlich ist das nirgendwo willkommen, wenn Leute von außen kommen und sagen: Wir können es besser.» Das Projekt in Großbritannien werde deshalb sehr sorgfältig vorbereitet. Wie genau die DKMS die Briten von ihrer Arbeit überzeugen will, verrät Harf noch nicht.