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Da redet man nun über Integration. Die Türken haben es geschafft. Auch ohne uns und unsere ewige Bevormundung. Da schießt sich ein (national-)stolzes Volk in das EM-Halbfinale.
Das ganze Gerede um den EU-Beitritt grenzt damit schon fast ans Lächerliche.
Unsere Mitbürger aus diesem fernen schönen Land haben sich schon längst integriert.
Sie sind vor langer Zeit aus teilweise großer Armut und der damit verbundenen Bescheidenheit nach Deutschland gekommen. Sie haben viel gearbeitet, lebten sehr notdürftig und jahrelang ohne ihre Familien hier (damals machte man sich noch gar keine Gedanken um Integration und niemand redete davon). Ja, sie sollten ja auch nicht lange bleiben, diese Gastarbeiter. Und wie sie hier lebten, interessierte doch niemanden.
Sie haben hier durchgehalten trotz aller Schikanen und Mobbing-Angriffe mit der Hoffnung auf ein besseres Leben irgendwann einmal wieder in ihrer Heimat mit ihren zurückgelassenen Kindern und Familien. Viele haben all diese Umstände in Kauf genommen. Ganze Familien wurden getrennt (ihre Tränen beim Abschied hätten wohl alle Meere dieser Welt füllen können).
Diese Menschen aus der Türkei sind liebenswürdig, gastfreundlich und gläubig, ja gläubig - das sind sie, Allah sei Dank, immer noch sehr. Die Moscheen sind voll, wovon die christliche Kirche nur träumt. Hätten wir uns als aufnehmendes Land von vornherein mehr mit dem Islam auseinander gesetzt, wäre er uns auch nicht so fremd und wir könnten besser verstehen. Im Gegenteil, der Islam ist unserem Glauben ja gar nicht so fern. Alles, was in unserer Bibel steht, kann man auch im Koran lesen.
Also, diese Menschen kamen damals voller Zuversicht zu uns. Die Sprache, die Wohnverhältnisse und das Essen und Trinken – alles war anders. Aber auch das haben sie in Kauf genommen - bescheiden und voller Demut. Die Behörden haben es damals leider verpasst, sich auf dieses fremde Volk wenigstens ein bisschen einzustellen. Sie waren doch unsere GASTarbeiter. Was für ein Begriff! Um Gäste bemüht man sich doch eigentlich anders.
Es kamen dazu die Anfeindungen in diesem Land, ob es nun Vorarbeiter in den Fabriken waren, Vermieter menschenunwürdiger Unterkünfte oder einfach nur der Bäcker an der Ecke. Auch das haben diese Menschen verkraftet und gemeistert – irgendwie.
Allmählich bildeten sich dann, sofern es die (Frei-)Zeit überhaupt zuließ vor lauter harter Arbeit, immer mehr türkische Gemeinschaften. Sie wollten lieber unter sich sein. Es gab dann die ersten türkischen Bäcker, die das ihnen vertraute Brot backten und verkauften. Es gab mit der Zeit den wunderbaren Tee mit seiner ganzen Zubereitungszeremonie und seinen stundenlangen Trinkritualen, bei denen man sich traf, saß, trank und über alles Mögliche diskutierte, lachte und redete. Wer einmal diesen Tee gekostet hat, kann sich schwer mit dem Beutel im Glas abfinden. Ist einfach so.
Deutschland merkte, dass es ohne diese Gastarbeiter, die die Wirtschaft ordentlich angekurbelt hatten, nicht mehr auskam. Nun durften auch die Ehepartner und die Kinder nachziehen. Natürlich musste auch der nachgezogene Ehepartner arbeiten. Dadurch waren die Kinder aber ziemlich auf sich alleine gestellt. Sie mussten zur Schule, der Weg dorthin war ihnen gerade mal bekannt. Sie saßen dort mit ihren deutschen Mitschülern in den Klassen, verstanden kein Wort Deutsch. Niemand kümmerte sich darum, dass sie im Unterricht mitkamen. Stellen wir uns doch einfach mal diese Situation für uns vor: Wir sitzen dort Tage, Wochen, Monate und verstehen und begreifen nichts. Überkäme uns da nicht auch die absolute Unlust, der Frust und das Desinteresse? Dazu kamen damals noch rassistische Lehrer (die gibt es sogar heute noch), die den Kindern sagten, sie sollten doch dahin zurück gehen, wo sie hergekommen sind, und das war wohl noch die netteste Variante. Viele dieser Kinder wurden
dann als lernunfähig, dumm, aggressiv und nicht integrationsfähig abgestempelt und konnten ihren schulischen Abschluss – wenn überhaupt – höchstens noch auf Sonderschulen machen. Aber auf dieses Thema kann ich hier nicht weiter eingehen, das würde zu weit führen.
Aber eines ist klar: Trotz aller Schwierigkeiten sind sie zu gewissem Wohlstand gelangt. Das erarbeitete Geld wurde gespart, Restaurantbesuche und andere unnötige Ausgaben kamen nicht in Frage. Man fuhr nicht in den Urlaub und gab dort viel Geld aus. Sie fuhren jedes Jahr in ihre geliebte Heimat und besuchten dort ihre Familien und Freunde.
Eigentlich haben sie viel Entbehrungen auf sich genommen.
Viele von ihnen sind inzwischen Geschäftsleute, haben sich hier selbständig gemacht. Sie haben ihre Eigentumswohnungen oder Häuser gekauft und fahren Nobelkarossen.
Leider wird auch das von der deutschen Bevölkerung mit neidischen Blicken verfolgt.
Eigentlich habe ich nur den Versuch unternommen, ein besseres Verständnis der deutschen Bevölkerung gegenüber unseren Mitbürgern, die ihren Einzug ins Halbfinale dieser EM 2008 feierten, zu wecken.
Inzwischen schwenkt jede Nation, auch unsere, ihre Flagge, jeder Gewinner fährt hupend und jubelnd durch die Straßen. Aber bei den türkischstämmigen Mitbürgern kommt noch positiv dazu, dass sie keinen Alkohol trinken und auch so fröhlich sein können, und ich muss sagen, dass sich für mich die Gesänge und der Siegesjubel anders anhören als bei unseren alkoholisierten Fans – und die schönere Flagge haben sie sowieso nun mal.