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Oft starten die Teilnehmer nicht die große Karriere, sondern kämpfen mit Stress und einem auferlegten Image. X-Factor, DSDS und Popstars - Castingshows sind aus dem deutschen Fernsehen kaum noch wegzudenken. Obwohl die Chart-Erfolge der meisten Sieger überschaubar sind, ist der Glaube an die große Karriere ungebrochen. Doch wer an so einer Show teilnehmen will, sollte sich vorher nach den eigenen Beweggründen fragen. Denn viele wissen nicht, welche Folgen die TV-Präsenz haben kann.
Gewinn kann Fluch und Segen sein
Martin Kesici gewann vor sieben Jahren die Castingshow "Star Search". Inzwischen bezeichnet der Berliner seinen Sieg als Fluch und Segen zugleich. "Ich wollte schon immer Rockstar werden, hab' vor der Show bereits Musik gemacht. Einige meiner Rocker-Kollegen haben mich nach der Sendung eher belächelt", sagt der 37-Jährige. Außerdem habe er feststellen müssen, dass ihn viele Leute aus der Musikbranche fallen ließen, als der große Erfolg plötzlich ausblieb.
Nicht jedem geht es um Musik
Doch nicht jedem, der an einer Castingshow teilnimmt, geht es um die Musik, glaubt der Psychologe Stefan Woinoff aus München. "Viele wollen einfach was Bedeutsames sein. Sie glauben, sich aus der anonymen Masse der Menschen herausheben zu können, sobald sie bekannt sind", sagt der Experte. Gerade junge Leute glaubten, eine Castingshow sei der kürzeste Weg, reich und berühmt zu werden.
Preis kann sehr hoch sein
Für andere sei der Eventcharakter besonders wichtig. "Viele langweilen sich und wollen mal etwas Besonderes erleben, ihre Gefühle pushen" erklärt der Psychologe. Ihnen allen rät Woinoff zur ehrlichen Selbstanalyse: "Sie sollten sich fragen, wie wichtig es ihnen wirklich ist, Musik zu machen. Sind sie überhaupt bereit, den Preis für ein bisschen Ruhm zu zahlen?" Dieser Preis könne sehr hoch sein, warnt Woinoff. Wer in die Öffentlichkeit geht, werde nicht nur positives Feedback bekommen.
Selbstbestimmung gibt es nicht
Hat jemand musikalisches Talent, warten im Laufe einer Castingstaffel aber noch ganz andere Probleme, so Woinoff. "Je weiter man kommt, desto häufiger wird man fremdbestimmt. Irgendwann entscheidet die Produktionsfirma über den gesamten Tagesablauf." Die eigene Selbstdarstellung haben Teilnehmer von Anfang an nicht selbst in der Hand. "Wie man in der Öffentlichkeit gezeigt wird und welche Aufnahmen über den Sender gehen, entscheiden ebenfalls die Redakteure, die das Format für einen Sender produzieren", sagt Martin Kesici.
Freunde nach ihrer ehrlichen Meinung fragen
Je weniger Talent vorhanden ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, lächerlich gemacht zu werden. Darum rät Stefan Woinoff, sich von einem objektiven Publikum auf Popstartauglichkeit testen zu lassen. Freunde, die ehrlich ihre Meinung sagen, sind dafür bestens geeignet. "Die sind sicher keine Fachleute, aber können schon mal eine erste Resonanz geben", glaubt auch Vocal Coach und ehemaliges Popstars-Jurymitglied Jane Comerford ("Texas Lightning") aus Hamburg.
Bloß nicht die Ausbildung dafür abbrechen
Wer sich nicht der Illusion hingibt, durch die Teilnahme an einer Castingshow schnell erfolgreich zu werden, sei in der Lage, das Ganze mit der notwendigen Portion Gelassenheit zu sehen, sagt der Medienpsychologe Jo Groebel. "Auf keinen Fall sollten junge Leute für dieses Abenteuer ihre Ausbildung abbrechen", warnt der Wahl-Berliner, der im Gegensatz zu Stefan Woinoff und Martin Kesici in einer Castingshow einen spannenden Wettbewerb sieht. "Eine ordentliche Ausbildung sollte immer Plan A sein - eine Castingshow maximal Plan B", so Groebel.
Vertrauensvolle Menschen sind wichtig
In einem Punkt sind sich alle drei jedoch einig: Wer nicht weiß, wie Medien funktionieren, kann nicht abschätzen, was im Falle einer mehr oder weniger erfolgreichen Castingshow-Teilnahme auf ihn einstürzt. Um nicht abzuheben braucht es Menschen, die es gut mit einem meinen. "Das sind in erster Linie Eltern und Geschwister", so Stefan Woinoff. Eins sollte jedem, der an so einer TV-Show teilnehmen will, vorher bewusst sein, stellt der Experte klar: Durch die schnelle Popularität entkommt man seinem alten Leben nicht, sondern ist mehr denn je darauf angewiesen, Menschen zu haben, denen man vertraut.